Wie der Islam die judeo-christliche Tradition weitersetzte [DE]
Ich bin Agnost: Ich weiss es nicht.
Und wenn ich nicht wisse, kann ich auch nicht glauben. Ich bin nämlich von der Aufklärung behindert worden.
Ich möchte aber mit den Lesern die Rührung teilen, die mich befasste, als ich am Heiligenabend oben stehendes Video sah und hörte. Es war von meinem Facebook-Freund Arne List dort veröffentlicht worden. Ich fragte mich: Warum bist du zu Tränen gerührt? Ich verstehe eben kein Arabisch. Ich bin weder Christ, noch Jude, noch Muslim. Ich glaube, es hat etwas zu tun mit der Art und Weise worauf der Q'uran die schöne und ewige Geschichte des Geburts des Propheten ISA (Jesus) zurückbringt zu was er wirklich gewesen ist, ja, sein muss.
Die Schönheit (die Wahrheit) der von Mohammed "gekärchten" Geschichte
Die Frau Maria (Meriem) steht im Mittelpunkt, als Frau. Mit ihren Ängsten, ihr Leiden, ihre Tapferkeit. Nicht als Instrument, nicht als Ausgewählte wegen ihrer Reinheit (gleichgesetzt an Jungfraulichkeit), nicht als unwesentliches Wesen das nur Sanfte und Gute bringt. Der Q'uran sieht sie als Mensch, nicht als Übermensch. Hör zu, Herren Ulfkotte cum suis, der Islam ist in diesem Hinsicht mehr frauenfreundlich als Euch! Dasselbe gilt bei dem Kinde Jesus und bei dem Vater, der, obwohl Engel, nachdrücklich beschrieben wird als "Mann, mit alles was männlich ist". Der Botschafter ist der Erzeuger, nicht Gott selbst. Denn, wie der Schlussfolgerung am Ende läutet: "Allah braucht nicht (selbst) einen Sohn bei einer menschlichen Frau zu erzeugen. Er braucht nur zu sagen: SEI! Und es IST."
Damit wird die Geschichte, ich möchte beinahe sagen: Glaubwürdig. Gott hat einen neuen Prophet zu den Menschen gesandt, von dem wir wissen, dass er Liebe, Respekt und Gedankenfreiheit gepredigt hat. Er hat zweifellos Hoffnung gebracht und den Willen gestärkt, sich gegen Grossheitswahn und Machtmissbrauch zu wehren. DAS ist das Wesentliche. Und die erste Reaktionen von Maria, und später von den Dorfbewohnern, sind für uns nachvollziehbar. Sechs hundert Jahre nachdem die Geschichte aufgeschmückt wurde mit Jungfräulichkeit, einem Stern, drei Königen (entlehnt an Zoroaster), Hirten und einem Ochsen und Esel, wird sie mit einem einzigen Satz zurückgebracht zu der Logik des Monotheismus.
Was das heisst für den Platz des Islam in der "judeo-christlichen" Tradition, werde ich am Ende dieses Artikel weiter beobachten.
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Vor und gegen einem einzigen, allmächtigen Gotte
Ich habe kein Urteil in der Frage, ob monotheistischen Religionen besser sind als Religionen mit vielen Göttern und Halbgöttern. Vorteil dieser Letzten ist unumstritten, dass man mit seinem oder seiner jeweiligen GottIn ein fast gleichrangiges Verhältnis unterhalten kann. Es gibt Dialog, und eben Verhandlungen, zwischen Menschen und nicht sichtbar existierenden Wesen. Bei Homer gibt es davon viele Beispiele.
Wenn man sich so zu dem Unübersehbaren, zu der Zukunft und zu seinem Handlungsraum verhält, ist man vielleicht freier, verantwortlicher und mehr selbstbewusst, als wenn man sich unterwerft an den unerkennbaren Ratsbeschlüssen eines einzigen Allmächtigers.
Aber die monotheistische Religion hat auch Vieles für sich. Ihre Schönheit besteht darin, dass sie vereint. Man kann es vergleichen mit der heutigen Globalisierung. Ist die Letzte eine Antwort auf die Vernetzung der Märkten und der weltweiten Konzentration des Kapitals, so könnte man das Aufkommen von monotheistischen Religionen sehen als Antwort auf der neue ökonomischen Realität des Vielvölkerstaates (die des römischen Reiches).
Die Vermärktung
In der christlichen Religion, und namentlich in der katholischen Variante, haben wir zu tun mit einer hybriden Erscheinung. Vom Jüdischen Glauben hat sie das Konzept eines einzigen Gottes geerbt, eines Gottes der eben "eifersüchtig" ist auf Götter und Abgötter die in seinem Lebensraum auftauchen. Lesung des Alten Testaments ergibt, dass es die Kinder Israels vielen Jahrhunderten, vielen Propheten und vielen Bestrafungen gekostet hat, ehe sie sich zu dieses schönen Konzept durchgerungen haben. Dieser einzige, unnennbare Gott, vereinte die sieben Stämme Israels, nicht die Welt. Es gab fast kein Proselytismus außerhalb dieser Stämmengemeinschaft. Und noch immer nicht.
Am Anfang, im ersten halben Jahrhundert nach Christi Tod, bildeten die Gefolgsleute des Prophets Jesus also nur eine der vielen Strömungen des Judentums: Es gab Essenen, Pharisäer und auch, in Jerusalem, eine Gruppe unter FÜhrung von Jesus Bruder oder Neffen Jakob. Erst der Evangelist Paul in den siebzigern Jahren des ersten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung, transformierte die christliche Strömung des Judentums zu einer weltoffenen Religion. Er lebte in einer Zeit, als die vier Evangelien noch nicht geschrieben waren. Paulus war kein Prophet und kein Religionsstifter: er war ein begnadigter Organisator. Er entwickelte ein wahres Multinational. Die Einheit unter einem einzigen Gotte wurde verkörpert in der Einheit einer einzigen Kirche (Ekklesia).
Allmählich, gibt es einen STAU auf dem Wege zu Gottes Thron
Die Kompromisse die Paulus schloss, um die Vermarktung der Kirche in den verschiedenen kulturellen Gemeinschaften zu fördern, waren (noch) nicht in Gegensatz mit dem monotheistischen Charakters der Religion. Sie hatten hauptsächlich zu tun mit lokalen Brauchen Palästinas, die von der jüdischen Religion verinnerlicht waren: Vorhautbeschneidung nicht mehr auferlegen, wenigere Beschränkungen für Frauen, der Tempel Jerusalems hatte nicht mehr den zentralen Platz inne, den er bis seiner Verwüstung bei den Juden innehatte. Das Letzte war allerdings auch in Israel und in der Diaspora schon viel weniger der Fall, seit (1. Jahrhundert vor Chr.) überall Synagogen entstanden waren.
Die Multinational "Kirche" entwickelte seit Paulus jedoch weitere Anpassungen an der Tradition der vielen Götter und Untergötter. Einerseits Schlauheiten ohne Folgen für die Lehre, wie das Abbilden einer Sonne neben dem Altar (alte Kathedrale in Ravenna), um den Gefolgleuten der Sonnenreligionen die Illusion zu gewährleisten, dass sie eigentlich noch immer die Sonne, und nicht die Transsubstantiation auf dem Podium, anbeteten. Transformierung von heidnischen Waldkapellen in Germania, wo der Stein den vorher anbeten wurde, das Zentralelement des Altars blieb (Chapelle de l'Enfant Mort, bei Lüttich).
Andererseits, wurde von der damals weit verbreitete Isis-Religion und der persischen Zoroastrischen Religion die Jungfräulichkeit Mariä und die göttlichen Vaterschaft Jesu übernommen. Lokal verehrte Heiligen bekamen halbgöttlichen Status, oft in einer Gestalt die stark an früher verehrten Lokalgötter erinnerte. In der Umgebung des früher einzigen Gottes, der wohl seinen Nacheifer einschlucken musste, entstand ein wahrer Olymp von Kinder, Muttergöttin, Himmelstürwacht und einem noch immer nicht gut definierten Heiligen Geist. Bis im neunzehnten Jahrhundert auch der CEO der Kirche sich selbst "unfehlbar" erklärte und derweise auch dem göttlichen Status sehr nahe gekommen ist. Es gibt bei den Katholiken fast ein Stau auf dem Wege zum Himmelsthron!
Der wahre Weiterführer der judeo-christlichen Tradition: Nicht die Ulfkotten, sondern der frühe Islam!
Wenn Mohammed lebte, gab es jüdische und christliche Siedlungen und Gemeinschaften in den Städten Arabiens. Oft ist der Prophet in Dialog mit denen. Wie Kader Abdollah in seinen schönen Bücher (Niederländisch geschrieben, Anfang 2008 in Amsterdam veröffentlicht*) über den Koran und das Leben Mohammeds so schlicht und überzeugend beschreibt, hat Mohammed so etwas wie einen Kärcher verwendet, um den Kern des Christentums zu behalten, und dasjenige was darauf parasitiert zu entfernen. So schlicht, so kräftig ist das Wort: "Gott braucht keinen Sohn zu erzeugen. Er sagt: SEI. Und es IST".
Selbstverständlich weiß ich auch, dass im Islam auch vielen Sachen religiös gedeutet werden, die es, weltweit gesehen, nicht sind. Schweinefleisch, Kinderbeschneidung, lokale Sitten und Brauchen, eben Toleranz für Frauenbeschneidung und Freiheitsberaubung für Frauen. Das sind Konzessionen, Kompromisse, die der Prophet selbst nie so gemeint haben könnte. Aber rund dem Jahre 600, war dasjenige was in Mekka gepredigt und in der Praxis umgesetzt wurde, nichts mehr oder weniger als eine Weiterführung der ursprünglichen judeo-christlichen Logik.
Deshalb möchte ich an den Agitatoren des globalen Kulturkampfes einer "judeo-christlichen" Kultur gegen einem "hintergebliebenen" Islam, mit denen wir im Jahre 2008 soviel zu tun hatten, sagen: "Der wirkliche Weiterführer der judeo-christlichen Tradition, zumindest der christlichen, sind nicht Sie, sondern es war der junge Islam". Wenn ich gezwungen wäre zu wählen zwischen der katholischen Version und der muslimischen, dann wählte ich ohne Zögern die Letzte.
Ich wiederhole: Ich bin nicht gläubig. Ich bin nur ein respektvoller Beobachter. Die Geschichte Mariä und des Erscheinens des Propheten Isa wie sie im Q'uran erzählt wird, beweist, dass Anhänger verschiedenen monotheistischen Religionen, statt gegen einander zu toben, das Wertvolle suchen sollten bei einander. Im Islam ist, denke ich, ist Vieles für den zwei Übrigen zu finden!
Das war der weihnächtlichen Friedenswünsch eines Unglaubers für das jahr 2009.
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* Wird bald hier rezensiert!
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