Guten Morgen zusammen! Hier, in Brüssel, ist der ulfkottesche Generalbürgerkrieg auch an diesem grauen Morgen noch nicht ausgebrochen. Aus meinem Fenster heraus, sehe ich allerart Mitglieder der angeblich von Wut gärenden Unterklassen friedlich miteinander sporten, reden und die Kultur bereichern. Ein gutes Moment, um ein deprimierendes Buch wie "Vorsicht! Bürgerkrieg -was lange gärt, wird endlich Wut" von Dr. Udo Ulfkotte, mal kritisch zu verdauen.
Vorsicht aber, lieben Bürger: Vielleicht gehöre ich zu den "Politikern und Wirtschaftsvertretern", die "seit Jahren schon wussten, welchen Schaden sie anrichteten". Und die in "geheimen Treffen" beschlossen hätten "um das Volk zahlen zu lassen" für den kommenden Krisen: Die Ökonomische-, die Ulfkotte seit kurzer Zeit entdeckt hat, und die Zuwanderungs-, Klima- und Währungskrise, oder allen zusammen.
Wenn ja, dann gehöre ich zu denen die sich "lächelnd Viagra genehmigen", während es "fürs gemeine Volk nun immer öfter Hartz IV gibt"? Ulfkotte, Bürgerkrieg: S. 15, unbelegt).
Kann sein. Schade dass Ulfkottes heutige Religionszugehörigkeit ihm das Viagra das er wahrscheinlich gut brauchen könnte, nicht genehmigt. Da hört das Lächeln auf. Versteht sich. Stell dich nur das Lächeln Berlusconis vor, wenn ihm das Viagra untersagt würde!
Ich will nie gesagt haben, dass Udo Ulfkottes, mangels Viagra, möglicherweise unbefriedigendes Sexualleben Grund sei für seine plötzlich aufkommenden Männerneid an den "lächelnden" Politikern und Wissenschaftlern. Mein Deutschkenntnis reicht nicht, um die Wirkung der männlichen Versagensangst gegenüber unterstellter Potenz-Überlegenheit bei Schwarzen, Jüdischen, Arabischen oder mit spanischem Fliegenextrakt frisierten adligen Fremdmännern, ausreichend mit dieser klammheimlichen Seite der Ulfkotteschen Angstschürerei in Verbindung zu bringen. Sagen wir es einfach so: Die unterschwellige Suggestion wird geschaffen, dass die geheime Runden der elitistischen Verschwörer und ihren Lakaien, uns nicht nur um dem Gelde, dem Schweinefleisch und den Gipfelkreuzen bringen, sondern auch noch um unseren Frauen, weil sie das Viagra für sich monopolisieren. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Ulfkotte nicht bewusst die Absicht gehabt hat, diesen vorchristlichen Instinkte bei seinen Lesern anzustacheln.
Aber ich kann nicht verhehlen, dass ich nicht ausschließe, dass er etwas Persönliches, ein intimes Leiden, zu kompensieren hat, indem er sich mit solcher Wut und Sebstzerstörungstrieb immer wieder in neuen Angstschürerei wegen Weltverschwörungen ... verschluckt.
Mangelt es ihm an Liebe? An Selbstvertrauen? Man könnte ein neurotisches Verhältniss vermuten zwischen seinem Trieb um sich immer wieder wie Retter von heimatbezogenen Werten zu gestalten, und dem entgegengesetzten Triebe, nämlich derjenige der verursacht, dass er immer wieder die eher gewonnenen Gefolgschaft brüskiert, verwirft, anschuldet, in der Höffnung, noch grosseren Liebe zu erwerben durch sein Selbstaufopferung und sein Leiden wegen des Verrats. Wir sahen es, als er im Herbst 2007, nach der brüsseler Katastrophe, eine Hejira versuchte in der Schweiz. Und nochmals, als Ulfkotte im Juni 2008 "Todesbedrohungen" gegen seine Familie inszenierte oder vorgab. Und wiederum flüchtete er, diesmal in einem deutschen Bergdorf. Als die verhofften massenhaften Liebeserklärungen ausblieben, namentlich auch von Seiten der Bürgerbewegung Pax Europa deren Ehrenvorsitzender Ulfkotte damals war, wandte der Schnellwender sich gegen Willi Schwend und seinen Freunden, und bedrohte ihnen met ganz frei erfundenen Gerichtsanzeigen. Resultat: Öffentliche Blamage Ulfkottes bei der BPE in Regensburg Anfang Dezember 2008 (siehe Unten).
Dialektik von Prophezeiung und Selbstopfer ist, wenn ich es richtig verstehe, dem Christ bei seinem Kreuzestod, sei es mit grosser Verpätung, wohl gelungen. Aber Ulfkotte ist Jesus nicht. Und nicht nur weil der Erstgenannte soviel peinliches Selbstmitleid und lügenhafte Selbstrechtfertigung bei seinen schwindelerregenden Wendungen beimischt.
Auch Etzel's Blog (dessen Bewertung des Ulfkotte-Buchs mir viel Freude gemacht hat; ich komme darauf bald noch zurück!) meint, dass vielleicht Ulfkottes schmählicher Ausschluss (Anfang Dezember 2008) aus dem ursprünglich von ihm gegründeten Verein (Bürgerbewegung) Pax Europa, Schuld sei an der unaufhaltsamen Untergang des ehemaligen Bestsellerautors:
Vielleicht bietet ein Nachsatz des Buches [Bürgerkrieg, HR] einen Hinweis auf Beweggründe, die in der Erschließung neuer Pfründe liegen könnten, nachdem der einstige Heros der Islamkritik spektakulär gescheitert ist. Der Autor des Bestsellers “So lügen Journalisten” schreibt dort nämlich reichlich unvermittelt, er sei wegen eines angeblichen Rechtsrucks in der ursprünglich von ihm gegründeten Bürgerbewegung Pax Europa e.V. im November 2008 aus dieser ausgetreten. Wer diesen Vorgang im Internet recherchiert, stellt verblüfft fest, daß es sich hier um nichts als eine gesichtswahrende Schutzbehauptung zu handeln scheint. Ulfkotte trat nämlich erst buchstäblich in letzter Minute vor seinem dann mit großer Mehrheit erfolgten Ausschluß wegen vereinsschädigenden Verhaltens aus dem von ihm einst gegründeten Verein aus, wobei subjektiv so empfundene Lügen und finanzielle Unregelmäßigkeiten den Ausschlag für diesen Rauswurf einer einstigen Lichtgestalt gegeben hatten.
Was davon auch sei, es ist unmissverständlich das das 2009er Ulfkotte-Buch noch übereilter und noch fehlerhafter als den vorherigen Logorrheen zusammengebastelt ist. Darauf kommen wir bei den Analyse der Potemkin-Dörfer des Ulfkotteschen Quellenverzeichnisses noch zurück.
Bei der notwendigen Wiederlegung von Ulfkottes Sammelsuria von halb- oder falsch verstandenen Meinungen, hilft es enorm, dass er auf den von ihm explorierten (oder besser gesagt: zwecks Angstschürung ausgebeuteten) Sachgebieten, kein Sachverständiger ist. Sogar dort, wo er behauptet, es zu sein (Betriebssicherheit, Geheimdienste, Islam), wird von Sachkollegen oft ernsthaft daran gezweifelt.
Jetzt wagt er sich aber auf einem Felde, worauf ich mich legitimerweise Sachverständiger nennen darf. Seit vielen Jahren arbeite ich als europäischer Experte der Regenerationspolitik ausgegrenzter Stadtquartieren. Ich war in mehreren EU-Ländern seit 1981 tätig. Nicht wie Politiker oder wie Wissenschaftler, sondern immer in einer so eng möglicher Zusammenarbeit als Berater, mit den betroffenen Gruppen, den zuständigen lokalen Autoritäten und Diensten. Auch mit Polizei und Justiz.
Es ist meine Erfahrung dass weder Ort und Zeitpunkt, noch die Wahrscheinlichkeit, von (gewalttätigen) Zusammenstossen in ethnisch gemischten, von Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität, usw. gekennzeichneten Stadtteilen, aus allgemeinen Trends wie Ulfkotte sie zitiert, vorauszusagen seien. Es gibt so viele Faktoren die dabei eine Rolle spielen könnten.
Von allgemeinen ökonomischen Trends, wie Ulfkotte die im Buche aufführt, kann man nur sagen, dass die gegenwärtige, voraussichtliche, Verärmung der Unter- und Mittelklassen, in der Geschichte meistens NICHT zu Aufstände geführt hat. Im Gegenteil: Grössere Perspektivlosigkeit führt zu großerer Lethargie.
Aber es gibt natürlich Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn opportunistische Journalisten (wie Ulfkotte) dem autochthonen Teil der Bevölkerung davon überzeugen können, dass die Verschlechterung ihrer Lebensumständen hauptsächlich Schuld der Immigranten sei, und dass es teuflische Verschwörungen von düsteren Mollahs (zusammen mit linken Dhimmis) gäbe, die es mit germanischen Pfeil-und-Bogen entgegenzutreten gilt, ja, dann werden Krawallen und Zusammenstösse wahrscheinlicher. (Über von Ulfkotte mit Armbrust gegen dem Moslem bewaffneten Bürgern werden wir nächstens noch viel Spaß haben. Versprochen!)
Aber die Zusammenstösse ereignen sich dann des öfteren NICHT in den Armutsgebieten selbst, sondern in den Gebieten und Gegenden, wo es keine- oder wenig Immigration gibt. Es ist in wissenschaftlichen Untersuchungen seit den siebzigern Jahren immer wieder, und überall in Europa und den V.S., festgestellt worden, dass die Angst und der Fremdenhass nicht dort am stärksten sind, wo die Bevölkerungsgruppen real zusammenleben, sondern dort wo man fürchtet (zu Recht oder zu Unrecht), dass Immigranten hereinkommen möchten. Diese beängstete Mittelschichten, nicht die Unterklasse, stellen das Publikum Ulfkottes dar.
(Kleines Teil der riesengroße Deutschlandkarte mit "Brandherden". Karten mit nach Armutskriterien selektierten Stadtvierteln sind nicht "geheim". Es gibt eine Menge davon. Obenstehende Karte ist nur deshalb einzigartig, weil Ulfkotte Feuerbilder inseriert hat, wovon der Grösse nichts anderes anzeigt als die Anzahl von Armutsgebieten in der jeweiligen Stadt. Das könnte ein Kind auch verfassen. Die Karte abstrahiert von den jeweiligen Bevölkerungszahlen, der ethnischen Zusammensetzung und der Intensität der Spannungen (interethnisch bzw. nach Aussen gerichtet) der Stadtquartieren. Das Copyright dieses Produkts: (c) 2000 Kopp Verlag.)
Die geographische Unbestimmtheit der jeweiligen zukünftigen "Kampfplätzen" (Ulfkotte) ist der Grund, wofür die dem Buche beigefügte Deutschlandkarte "mit allen bürgerkriegsgefährdeten Gebieten" so lügenhaft und irreführend ist. Jeder Polizeifachmann weiss, dass öffentliches Sicherheitsmanagement ungeteilt und flachendeckend sein soll. Man bereitet sich auf allen denkbaren Eventualitäten, überall, in jeder Jahreszeit vor. Also auch auf Zusammenstössen in den von Ulfkotte genannten Gebieten. Es ist irreführend und perfide, dass Ulfkotte das Letzte immer wieder isoliert und als Beleg für seine Theorie der Bürgerkriegsvorbereitung "von Oben" zu verwenden versucht.
Der Autor (und seine unspezifizierte Quelle) hat einfach das Übersicht der städtischen "Problemkumulationsgebieten", wie es in Deutschland, und auch in den meisten andern EU-Staaten regelmäßig ausgearbeitet wird, kopiert, und mit suggestiven Flammen bestückt.
Dergleiche Übersichten sind nützlich für die Verteilung von europäischen Co-Investitionen in hinterbliebenen Regionen. An der Auswahl liegen keinen wissenschaftlichen Kriterien zu Grunde, aber man versucht so ehrlich wie möglich, quantifizierbaren Kriterien, wie Sterbensälter, Einkommenshöhe, etnischer Herkunft der Bewohner, Quadratmeter Wohnraum pro Person, Arbeitslosigkeitsfrekwenz, usw. zu vergleichen mit andren Gebieten.
Die Art und Stärke der Verknüpfung der Problemen, die sehr wichtig ist für die Ausarbeitung von lokalen Emanzipationsstrategien, kann nur durch lokaler (beschreibende) Analyse festgestellt werden. Dasselbe gilt für die objektive und subjektive Verunsicherung und Neigung zu Gewalt. Dergleiche Analysen bestehen und sind alles weniger als geheim. Aber sie werden von Ulfkotte nicht verwendet.
Im Grunde ist das Buch basiert auf einem primitiven ökonomischen Determinismus: "Wo Armut wächst, wird es brennen." Schon Karl Marx selbst warnte immer vor ökonomischem Determinismus und mechanischem Weltbild. Ulfkottes Determinismus war immer primitiv, monokausal und karikaturartig. Aber ohne zu blinzeln, hat er seit dem Jahre 2006 von einem Determinismus zum Andren gewechselt. War November 2006 noch das angebliche Eingreifen von "hunderten" Mossad-Agenten in den französischen "banlieues" Ursache der Aufständen der muslimischen Jugend gegen Innenminister Sarkozys "Kärcher" Provokationen. Heute sind es "elitäre" Verschwörer die in geheimen Runden beschlossen hätten einen riesengrossen ökonomischen Kladderadatsch auf das "gemeine Volk" loszulassen. In 2006 waren es angeblich israelische Staatsinteressen und Verschwörung met der (halb-)jüdischen Minister mit dem Ziel, Muslime bei den Franzosen gehasst zu machen, die hinter den Krawallen steckten. Mehrere Geheimagenten hätten die Reise nach Hessen gemacht, um an Dr. Ulfkotte den Sachverhalt zu erzählen.
Heute gilt blosses Klassendeterminismus. Ulfkottes neue exil-iranische Rätekommunistische Kameraden (Mina Ahadi) würden subtiler vorgegangen sein...
Aber es ist noch schlimmer als dumme Monomanie. Ulfkottes Hauptzeuge, der kalifornische Futurologe Celente, prophezeit keinen "Aufstand der Horden", wie Ulfkotte ihn sagen lässt, sondern eine Welle von gewaltlose zivile Ungehorsamkeit der Mittelschichten: Steuerstreiks, usw. Die Menschen die so arm sind dass es nichts mehr bei ihnen zu versteuern gibt, werden, so Herr Celente, nicht aufständisch werden, sondern sehr beschäftigt sein mit Schrebergärten, um sich billiger nähren zu können. Das war während der Krise der Dreißigern Jahren auch so. Ob er damit Recht hat, oder nicht, ist hier nicht wichtig.
Wichtig ist, dass Ulfkotte entweder seine Quellen gar nicht gelesen oder verstanden hat, oder uns für so dumm hält, dass wir nicht wüssten, dass Fußnoten zum Beleg der Darstellungen im Buche dienen und nicht zur Schmückung von Quatsch und Lügen.
Ulfkotte sagt am Anfang des Buches (Seite 4) über seinen 857 Quellenangaben dass sie zweifellos das "geschönte Bild" der Verschwörung der Politikern mit Bossen und Medien zerstücken werden. "Man wird sie [die Ulfkotte-"Quellen", HR] aus den Geschichtsbüchern zu tilgen versuchen".
Es ist jedoch Zweifelhaft, ob Ulfkottes Linkenliste nach maßgebenden Quellen wie "The Phoenix Business Journal", Investitionsfirma Breitbart.com, und der Emder Zeitung (!) jemals einem ernsthaften Historiker die "Arbeit erleichtern" werden.
Aber der Autor will uns glaubhaft machen, dass wir mit seinem Buche die Geschichte der Zukunft in den Händen hätten. Ulfkotte zweifelt angeblich nicht daran, das die Geschichte ihn rechtfertigen werde:
"[Die Historiker werden uns, an Hand der ulfkotteschen Linkenliste, in der Zukunft wohl erzählen] ... wie eine raffgierige und korrupte "Elite" der Deutschen sich selbst Viagra und dem Volke Hartz IV verordnete..."
Leider: Eher werden fast allen "Quellenangaben" Ulfkottes "broken" sein und im schwarzen Loch des Webs verschwunden sein, als dass die Viagra-Verschwörung Ulfkottes in den Geschichtsbüchern auch nur in einer Fussnote zitiert wird.